anonymer und anonymisierter Text als Anhang zu einer Verfassungsbeschwerde für ein "Gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Kindesmutter"


Urteil des OLG (...) vom 23.02.10

Anonymisiert und ohne das Organisatorische und die verfahrenstechnische Vorgeschichte:

"Der Antragsgegner führt aus:

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts sei die elterliche Sorge für das Kind ihm und der Antragstellerin gemeinsam zu belassen. Die gemeinsame elterliche Sorge sei der Regelfall und die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil bei der Scheidung die Ausnahme. Dies sei durch das Grundgesetz und das vorrangig anzuwendende Europarecht zwingend vorgeschrieben. Eine Kontinuität in der Eltern-Kind-Bindung werde nur durch eine gemeinsame Sorge gewahrt. Deshalb bedürfe es eines übereinstimmenden Antrages der Eltern nicht, sondern genüge es, wenn ein Elternteil das gemeinsame Sorgerecht begehre. Der bloße Widerspruch des anderen Elternteils könne die Entscheidung für ein gemeinsames Sorgerecht nicht hindern. Die Antragstellerin wecke Bedenken an ihrer Erziehungsfähigkeit, wenn sie weiterhin ein gemeinsames Sorgerecht ablehne. Das Kind könne, womit er einverstanden sei, auch künftig bei der Antragstellerin wohnen. Er möchte jedoch an der Erziehung des Kindes möglichst viel Anteil nehmen, um mit der Antragstellerin auf eine Ebene zu gelangen, auf der man sich auseinandersetzen müsse. Durch ein gemeinsames Sorgerecht werde die Antragstellerin zur Kooperation mit ihm veranlaßt. Die Kommunikation zwischen ihnen sei nur deshalb so gestört, weil er es als erniedrigend empfinde, wenn sie allein für die Erziehung des Kindes verantwortlich sei und die "Verfügungs- und Rechtsgewalt" über das Kind allein ausübe.

Der Antragsgegner beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die elterliche Sorge für das Kind beiden Parteien gemeinsam zu belassen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie führt aus:

Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen stünden der Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts entgegen. Psychologische Beratungen und Trennungstherapien hätten ihre Verständnisschwierigkeiten nicht beheben können. Eine förderliche Unterredung sei mit dem Antragsgegner auch nicht über den von ihm zu leistenden Unterhalt möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Berichte des Jugendamtes und die Sitzungsniederschrift des Senats vom ... Bezug genommen.

Die gemäß §629a Abs. 2 Satz 1, §621e Abs. 1 und Abs. 3, §621 Abs. 1 Nr. 1, §516, §519 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg; denn die vom Familiengericht getroffene Sorgerechtsregelung hält den Angriffen der Beschwerde stand.

Mit Scheidung der Ehe der Eltern hatte das Familiengericht gemäß §1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zur elterlichen Sorge die Regelung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht, wobei die Bindung des Kindes an seine Eltern zu berücksichtigen ist. In Ermangelung eines gemeinschaftlichen Vorschlages der Eltern hat sich die Entscheidung ausschließlich am Wohl des Kindes zu orientieren. Von entscheidender Bedeutung sind in dieser Hinsicht die Persönlichkeit und die erzieherische Eignung der Eltern, ihre Bereitschaft, Verantwortung für das Kind zu tragen, sowie die Möglichkeiten der tatsächlichen Unterbringung und Betreuung und schließlich das Vorhandensein emotionaler Bindungen zwischen Kind und Eltern, da nach den Erkenntnissen der modernen Psychologie und Verhaltenslehre Abbrüche derartiger Beziehungen Kinder in schwere Krisen stürzen und zu seelischen Beeinträchtigungen führen können.

Von diesen Kriterien ist auch das Familiengericht bei seiner Sorgerechtsentscheidung ausgegangen und hat zu Recht davon abgesehen, beiden Parteien gemeinsam die elterliche Sorge zu belassen. Die Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch nach der Scheidung bedeutet zwar für das Kind, dessen Interesse auf eine kindheitslange unauflösliche Eltern-Kind-Bindung gerichtet ist, ein Höchstmaß an Stetigkeit (BVerfG in NJW 1983, 101 [102]). Dennoch genügt für diese Anordnung nicht, daß das Kind gleichstarke emotionale Beziehungen zu Vater und Mutter hat und beide Elternteile gleichermaßen zur Ausübung der elterlichen Sorge geeignet sind. Insbesondere dürfen keine anderen Gründe vorliegen, die im Interesse des Kindeswohles eine Übertragung des Sorgerechts auf nur einen Elternteil angezeigt erscheinen lassen. Deshalb gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen für ein gemeinsames Sorgerecht, daß die Eltern den Willen haben, die gemeinsame Verantwortung trotz Scheidung ihrer Ehe weiterhin zu tragen. Sie müssen ein gewisses Maß an beiderseitiger Kompromißbereitschaft und Übereinstimmung in Fragen der Erziehung und Betreuung des Kindes aufweisen; denn sonst ist zu befürchten, daß eine verantwortliches Zusammenwirken bei der Erziehung nicht gelingt und das gemeinsame Sorgerecht eine Quelle für Streit und beständige Reibereien ist. Deshalb ist die Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch dann ausgeschlossen, wenn nicht beide Elternteile mit der Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts einverstanden sind (BVerfG in NJW 1983, 101; BGH in FamRZ 1993, 314 [315] m.w.N. und schon Senatsbeschluß vom ...). Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin lehnt mit Nachdruck das gemeinsame Sorgerecht ab, weil die Kooperation mit dem Antragsgegner nachhaltig gestört sei und in der Erziehungsauffassung grundlegende Meinungsunterschiede bestünden. Die Parteien haben sich vor Einleitung und auch während des Ehescheidungsverfahrens erfolglos Therapien unterzogen und nicht vermocht, eine Kommunikationsgrundlage zu schaffen. Ihr Verhältnis zueinander ist tiefgreifend gestört, unter anderem auch durch Konfrontationen mit unterschiedlichen Erziehungszielen. Darauf, wer für das gestörte Verhältnis verantwortlich ist, kommt es nicht an; denn aus Kindeswohlgründen kann nur allein maßgebend sein, daß die für eine gemeinsame Sorgerechtsanordnung erforderliche beträchtliche Kooperations- und Verantwortungsbereitschaft der Parteien objektiv nicht bzw. nicht mehr besteht (so auch OLG Bamberg in FamRZ 1995, 1509 [1519]). Damit bedurfte es auch keiner Entscheidung, ob - wie der Antragsgegner meint - trotz (bloßem) Widerspruch des anderen Elternteils die Belassung des gemeinsamen Sorgerechts regelmäßig anzuordnen sei, wenn die Kommunikationsfähigkeit der Eltern nicht getrübt ist (vgl. AG Groß-Gerau in NJW 1981, 1279 [1280] und FamRZ 1993, 462 sowie FamRZ 1994, 922 [923]). Solange es an der gemeinsamen Bereitschaft beider Elternteile zur Ausübung der elterlichen Sorge fehlt, kann ihnen nach der Scheidung die elterliche Sorge nicht gemeinsam belassen werden, sondern ist ein Elternteil zum alleinigen Sorgeberechtigten zu bestimmen. Mit dieser Auffassungsieht sich der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, anderer Oberlandesgerichte sowie der Literatur (BGH in FamRZ 1993, 314 [315]; OLG Karlsruhe in FamRZ 1991, 1220 [1221]; OLG Bamberg in FamRZ 1995, 1509 [1510-1511]; OLG Frankfurt in FamRZ 1993, 1352; OLG Stuttgart in FamRZ 1991, 1220 [1221]; OLG Bamberg in FamRZ 1991, 590; KG in FamRZ 1989, 654; OLG Hamm in FamRZ 1989, 654 [655] und OLG Schleswig, 1. Familiensenat in SchlHA 1978, 170; Dörr "Die Entwicklung des Familienrechts seit 1990" in NJW 1992, 529 [531]; Koeppel "Die gemeinsame elterliche Sorge bei Scheidung im Lichte der EMRK und des UN-Zivilpaktes" in der Amtsvormund, 1993, 602 [607] und Palandt-Diederichsen, 55. Auflage, 1996, §1671 BGB Rdnr.6). Die gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. März 1993 - 1 BvR 1812/92 - nicht zur Entscheidung angenommen (FamRZ 1993, 941).

Der Antragsgegner will zwar durch ein gemeinsames Sorgerecht die Antragstellerin zur Kooperation bewegen, weil nach seiner Vorstellung der Mangel an Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Antragstellerin in dem Umstand begründet sei, daß sie die elterliche Sorge allein ausübe. Die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ist aber nicht die Lösung für das Problem, unterschiedliche Vorstellungen der Eltern in der Erziehung und Pflege des Kindes zu überwinden und Konflikten vorzubeugen (vgl. Maccoby/Mnookin "Schwierigkeiten der Sorgerechtsregelung" in FamRZ 1995, 1 [13]). Vielmehr besteht die Gefahr, daß sich bei gemeinsamer Ausübung des Sorgerechts die unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen der Parteien verschärften und das Kind infolge ständiger Meinungsverschiedenheiten ihrer Eltern in der weiteren Persönlichkeitsentwicklung Schaden leidet. Die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern als unabdingbare Voraussetzung für eine gemeinsame elterliche Sorge läßt sich durch Richterspruch nicht erzwingen. Nachdem Trennungs-, Scheidungs- und Erziehungsberatung nicht vermocht hatten, zwischen den Parteien eine Kooperationsbereitschaft herbeizuführen, war zugleich der Versuch des Familiengerichts gescheitert, für die Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge die notwendigen Grundlagen zu schaffen. Nunmehr hatte es einen Elternteil zum alleinigen elterlichen Sorgeberechtigten zu bestimmen und mußte selbst über den Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Eltern entscheiden. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hindert Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -, der die Achtung der privaten Sphäre gebietet, diese Entscheidung nicht. Soweit gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK jedermann Anspruch auf die Achtung seines Familienlebens hat und das deutsche Familienrecht als Regel für den Fall der Ehescheidung nicht vorschreibt, den Eltern das gemeinsame Sorgerecht zu belassen, besteht das Grundrecht der Eltern, ihre Kinder gemeinsam zu pflegen und zu erziehen, nicht absolut und uneingeschränkt. Es kann vom Staat aufgrund seines Wächteramtes aus Gründen des Kindeswohls (Artikel 6 Abs. 2 GG) bzw. zum Schutz der Rechte und Freiheiten des Kindes (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) entzogen oder begrenzt werden; denn das Kindeswohl ist oberste Richtschnur sowohl für Entscheidungen des Gesetzgebers wie der Gerichte zu Fragen der Regelung der elterlichen Sorge (BGH in FamRZ 1993, 314). Keinem Kind ist damit gedient, wenn sich Eltern über die konkrete Ausübung des elterlichen Sorgerechts fortlaufend streiten. Dann verlangt - wie auch hier - das Kindeswohl, nur einen Elternteil zum Sorgeberechtigten zu bestimmen. Eine solche Entscheidung hindern auch nicht der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte - IPBPR - (UN-Zivilpakt) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention, abgedruckt in FamRZ 1992, 253 ff), wie der Antragsteller meint. Der UN-Zivilpakt, nach dessen Artikel 23 Abs. 4 die Vertragsstaaten durch geeignete Maßnahmen den Fortbestand gleicher Rechte und Pflichten der Ehegatten bei Auflösung der Ehe sicherstellen und für den nötigen Schutz der Kinder im Falle einer Auflösung der Ehe Sorge tragen sollen, und die UN-Kinderrechtskonvention, nach deren Artikel 18 Abs. 1 die Vertragsstaaten zur Sicherstellung des anerkannten Grundsatzes gemeinsamer Verantwortlichkeit der Eltern für die Erziehung und Entwicklung des Kindes bemüht sind, begründen für den Antragsteller kein subjektives Recht für eine gemeinsame elterlichen Sorge. Beide internationale Abkommen sind lediglich für die Interpretation des Kindeswohls heranzuziehen, das bei mangelnder kooperationsbereitschaft der Eltern grundsätzlich die Belassung gemeinsamer elterlicher Sorge bei Auflösung der Ehe verbietet.

Solange sich die Antragstellerin der Übertragung eines gemeinsamen Sorgerechts nicht grundlos widersetzt, war es dem Familiengericht und ist es auch dem Senat nicht gestattet, gegen ihren Willen die von dem Antragsgegner begehrte gemeinschaftliche Sorgerechtsentscheidung zu treffen. Vielmehr ist die Antragstellerin zur alleinigen elterlichen Sorgeberechtigten zu bestimmen. Diese Regelung berücksichtigt den Wunsch des Kindes, bei der Mutter zu bleiben. Das Kind hat sich bei der Anhörung durch den Senat als ein altersgemäß entwickeltes, lebhaftes und an seiner Umwelt interessiertes Kind dargestellt, das sich bei der Mutter geborgen fühlt und dessen Beziehung zum Vater ungestört ist. Es erfährt bei der Antragstellerin, in deren Obhut sie sich seit sieben Jahren befindet, die für die Entwicklung ihrer Anlagen und Fähigkeiten erforderliche Förderung. Förderungsprinzip, Kontinuitätsgrundsatz sowie der Wille des Kindes gebieten, der Antragstellerin allein die elterliche Sorge zu übertragen, zumal der Antragsgegner die elterliche Sorge für sich alleine nicht, sondern nur in gemeinsamer Ausübung mit der Antragstellerin beansprucht, weil er uneingeschränkte Verantwortung für das Kind nicht tragen will.

Damit ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen. Eine von Amts wegen zu treffende Umgangsregelung ist nicht veranlaßt, weil zwischen den Parteien kein Streit über die Ausübung des Umgangs besteht.

Die weiter Beschwerde hat der Senat nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht der Senat mit seiner Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus §97 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung beruht auf §12 Abs. 2 Satz 3 GKG.


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Abweisung der Verfassungsbeschwerde

Die Anlagen zur Verfassungsbeschwerde:

  1. Kopie des Beschlusses des Oberlandesgerichtes (...) vom 05.02.10, Az. (...)
  2. Kopie des Urteils des Amtsgerichtes (...) verkündet am 01.12.09, Az. (...)
  3. Zweitschrift meines Antrages auf ein gemeinsames Sorgerecht als eigener Vortrag beim Amtsgericht (...) vom 29.10.08
  4. Zweitschrift meines eigenen Vortrages beim Amtsgericht vom 23.07.09
  5. Zweitschrift meines eigenen Vortrages beim Amtsgericht vom 22.11.09